![]() |
![]() |
2.
Mai - 7. Juni 2008
|
![]() |
![]() |
english version below „In welcher Weise uns die Musik schöne Formen ohne den Inhalt
eines bestimmten Affektes bringen kann, zeigt uns recht treffend ein Zweig
der Ornamentik in der bildenden Kunst: die Arabeske. Wir erblicken geschwungene
Linien, hier sanft sich neigend, dort kühn emporstrebend, (…),
in kleinen und großen Bogen korrespondierend, scheinbar inkommensurabel,
doch immer wohl gegliedert, überall ein Gegen- oder Seitenstück
begrüßend, (...) eine Sammlung kleiner Einzelheiten, und doch
ein Ganzes. Denken wir uns vollends diese lebendige Arabeske als tätige
Ausströmung eines künstlerischen Geistes, der die ganze Fülle
seiner Phantasie unablässig in die Adern dieser Bewegung ergießt,
wird dieser Eindruck dem musikalischen nicht sehr nahe kommend sein?“ Constantin Luser (geb. 76, lebt und arbeitet in Wien) spielt uns in der Galerie ein kanonisches Lied der Obsession und lädt ein, daran teilzuhaben und einzusteigen. Es ist die zweite Einzelausstellung des Künstlers in der Galerie, der im Herbst diesen Jahres mit einer Museumsshow im Belvedere Wien (Katalog) als der neue „BC 21 Award“ Preisträger für junge österreichische Kunst gewürdigt wird. Für die Berliner Ausstellung entwickelte Luser basierend auf den Medien Zeichnung und Skulptur einen Parcours der Assoziationen, der seine Anregung aus den Bereichen Biologie und Technik, Architektur und Geschichte, Mensch und Körper sowie maßgeblich der Musik gewinnt. Zwei Räume der Galerie werden von einem großformatigen Trommeliglu und dem im Maßstab 1: 10 verkleinerten Vibrosaurus beherrscht. Den Rezipienten zur Interaktion anregend stehen diese dreidimensionalen Klangskulpturen in einer synästhetischen Beziehung zu den Zeichnungen des Künstlers, worin die Motive stets von einem kommentierenden Text begleitet werden. Bspw. wird der Vibrosaurus in einer begleitenden Zeichnung des Künstlers als „Gemeinschaftstonerzeugender Saurier“ vorgestellt, der von den Lippenvibrationen und den Stimmbandschwingungen von mehreren Personen beatmet und belebt werden kann. Die Töne oder Geräusche generieren sich mittels 30 Mundstücke verschiedener Blechblasinstrumente (Waldhörner, Tuben und Trompeten), wobei der Anblasluftdruck abwechselnd mit der Lippenspannung in das metallene röhrenförmige Knochenskelett des „Sauriers“ geleitet werden soll. Der Schall als Synonym der Luser’schen Idee findet in den Zeichnungen einen gleichbedeutenden Ausdruck wie in der Musik die Notation. In ihrer Form grafisch, feinlinear festgehaltenen ermöglichen sie das Nachvollziehen ihrer selbst, ähnlich musikalischen Parametern von Tonhöhe, -dauer und Lautstärke, und erhalten so ihre Lesbarkeit. Diese technoid anmutenden Zeichnungssysteme sind einer Aufschreibtechnik vergleichbar, die als Wahrnehmungsspeicher symbolisch imaginär geprägte Verhältnisse zwischen Akteuren und kulturellen Codes festhält. Die optischen Schaltpläne konterkarieren mit Blättern vielzähliger kleiner Porträtköpfe, deren Trägermedium meist das Papier, aber auch mal die Wand ist, mit dem Verweis des Nichtbeständigseins contra dem Nichtvergessenwollen. Das Verdichten von Realität mittels spielerischer bis hin zur monströs
gesteigerten Phantasie, um Dingen eine neue Bedeutung zu geben oder auch
Doppeldeutigkeiten in der Gesellschaft aufzuzeigen, scheint in der Welt Constantin
Lusers ein selbstironisches Muss zu sein. Durch Wort und Sprache erhalten
die Fiktionen ihren konkreten, wenn auch utopischen Bezug, führen aber
auch gerne in die Irre, wenn und gerade weil wir zwei-, drei-, viermal hinschauen
müssen, um uns einen Weg durch das Linienwirrwarr in die Ebene der Dreidimensionalität
zu kämpfen. Zur Potenzierung des Blicks und der Assoziation passt die
Installation einer weiteren Skulptur des Künstlers im Kreis jener Zeichnungsgruppe,
die aus einem Baum mit mehrteiligem Geäst besteht, das je von einem
Fahrradrückspiegel bekrönt und den Titel „Rückblick
in letzter Sekunde“ trägt. Und ja es wird archaisch! - wenn der „Vibrosaurus“ zusammen
mit dem Trommeliglu sein ganzes Klangvolumen ausfüllen wird- Wer möchte
da nicht dabei sein? Wer möchte da nicht mitmachen? Wer möchte
nicht Constantin Luser hinterher laufen, wie die Kinder dem Rattenfänger
von Hameln, und schauen was sich noch alles entdecken lässt im Luser’schen
Universum? Vielleicht kann man aber auch die staunenden Gesichter in den
vielen kleinen Rückspiegeln des Baums sehen, dient doch der Spiegel
immer als Reflektion des Jetzt, der narzisstischen Betrachtung des Selbst,
dem Erkennen und Begrüßen
und eben auch dem BeStaunen, als kindliche Regung.
english version “To that point the music is able to get aesthetic forms without a
trace of a specific affects, shown by the ornamentic sector of fine arts:
the arabesque. We catch sight of brandished lines, here bowed gently, there
raised adventurous, (...), corresponding with small and high bows, seemingly
incommensurable, but always arranged clearly, anywhere salutory the side
and companion pieces, (...)as a collection of single parts, but also a whole.
The vivid arabesque imagary for the outflow of the artistic genie pouring
out its opulent fantasy into the veins of that flow. This effect will near
the musical sense, will not?” Constantin Luser (b. in 76, lives in Vienna) plays us a canonical melody of obsession to invite us to become a participant, to go on an expedition. As the recipient of the “BC 21 Award” for Young Austrian Contemporary Arts, he will open the museum show at the Belvedere Vienna (cat.) this autumn, after his second soloshow at the gallery. At the Berlin exhibition Luser shows a parcours based on drawings and sculptures in association with sections from Biology and Technology, Architecture and History, Human and Body and finally, Music. The main space at the gallery will be occupied by the “Trommeliglu” (drum igloo) and the “Vibrosaurus” (vibration saurian), scale 1:10. The recipient stands interactional in front of three-dimensional sound sculptures relating the synaesthetical sense to the artists drawings with commented motifs. Therefore the “Vibrasaurus“ will be introduced by an accompanying artist drawing as a “communal audio-generating saurian.” Life could be breathed into it by the lips and vocal cord vibrations of people. The tones and sounds are generated with the aid of 30 mouthpieces of several brass instruments (French horns, Tubas, Trumpets). The blown air pressure, via compressed lips, is channelled through the metal tupe-shaped skeleton of the saurian. The acoustics as a synonym for the notion of Constantin Luser´s drawings is conterminous to music notation. With their graphic finelined form, similar to the musical parameters of tone pitch, length and volume, they will be relatable and readable. These seemingly technichally drawn systems are comparable to recording techniques- registering the perceptions of symbolic imagary characterizing conditions between actors and cultural codes- like a cache. By use of media paper or even the wall, the optical “wiring diagrams” counteract the multitude sheets of portraits, refering to the refusal to forget as opposed to being changeable. Meanwhile compressing reality by escalating the playful up to the level of monstrous fantasy, things are filled with new acceptations, also the ambigious meanings in society are shown, a self-ironic requirement in Luser´s cosmos. These fictions get their concrete, sometimes utopian references by using speech. Although, and because they lead us astray, we have to look twice, three and four times to struggle through the gallimaufry of lines to the three-dimensionality. Aside this and to exponentiate the recipient´s view, another sculpture named “Rückblick in letzter Sekunde” (“last chance for rearview”), multiplies the viewer’s gaze through mirrors mounted onto its branches. And yes, it will be archaic! Whenever the “Vibrosaurus” with the “Trommeliglu” come together to extend their full sound, who will not want to be part of it? Who doesn’t want to play along? Who doesn´t want to follow Constantin, like childdren the Pied Piper of Hamelin, to discover more of his universe? Perhaps you can see the marveling faces in the small rear-view mirrors of the sculpture. Indeed the mirror is the reflection of the now, the narcissitic view itself, self-identifying and welcoming, but even to be astonished- as a childlike feeling.
|