3. September - 15. Oktober 2010

   

 

PAULE HAMMER
Weltenzyklopädie IV : Angst - Liebe - Traum

Ausstellungsdauer: 3. September - 15. Oktober 2010
Eröffnung: 3. September, 18:00 - 22:00 Uhr

Paule Hammer Weltenzyklopädie 4, Galerie Jette Rudolph, Berlin 2010

english version below

Die Galerie Jette Rudolph zeigt zur Saisoneröffnung im September 2010 ihre erste Soloshow des Leipziger Künstlers Paule Hammer (geb. 1975). Die Ausstellung trägt den Titel “Weltentzyklopädie 4: Angst, Liebe, Traum“ und präsentiert eine All- Over- Inszenierung der Galerieräume basierend auf neuen gross- bis mittelformatigen Malereien des Künstlers, installativen Textarbeiten sowie Soundskulpturen.

Paule Hammers komplexe Werke erzählen Geschichten aus der Ich- Perspektive, deren Inhalt sich um das Selbstverständnis des Individuums dreht, durchexerziert anhand innerer Erlebnisse, Gedanken, Absichten und Fantasien. Die Berliner Ausstellung befragt explizit die essentiellen Bedürfnisse um Angst, Liebe und Traum und schliesst sich an Paule Hammers Etappe seiner „Weltenzyklopädie III“ zum Thema „Bilder vom Künstler“ im Frankfurter Kunstverein Anfang 2010 an, die ihre Analysen im Kontext verschiedenster gesellschaftlicher Rollenspiele verortete.

Die neuesten Arbeiten Hammers setzen ihren Fokus auf Wort und Text mit den Schlagbegriffen aus dem Ausstellungstitel, aufgemalt in grossen Lettern und schwebend in Farbinseln, die der Künstler mittels sich weit uebers gesamte Bildfeld verzweigender Lineaturen untereinander verknüpft, hie und da durchbrochen von synapsenartigen (Denk)Knoten. Hinterfangen von einer Papiercollage mit endlosem Fragekatalog zum gleichen Motiv, dreht sich der Betrachter im Kreis existentieller Beschreibungsmuster. In Schwarz- Weiss gehalten wirken die Leinwände wie Schultafeln mit Schaubildcharakter, während der Betrachter die Systematik des Bildes „Liebe“ entlang der Zuordnungsbegriffe „Gemeinschaft“, „Gewalt“ ueber die zentralen Figuren von „Mann”, „Frau“ und „Tier“ bis zur unteren Ebene von „Lebewesen“, „Familie“, „Körper“ zu begreifen versucht. Die dichten Netzwerke vermag allein ein selektiver Blick zu durchdringen, welcher die Linien und Inseln als Schwellen der Sinnesent- wie begrenzung versteht. Die drei Kapitel „Angst“, „Liebe“, „Traum“ werden jeweils von der Soundskulptur eines Kopffüssers begleitet, dessen Partitur auf der minutiösen Übersetzung vom Sprachbild in Musik auf der Basis einer durch den Künstler geschaffenen Systematik basiert. Hammer nimmt den Betrachter im Prozess der Visualsierung und Audiosierung mit auf die Reisen in sein Innerstes, um ihn an die Grenze zwischen der nicht- objektivierbaren Eigenleiblichkeit und der objektivierten, dinghaften Körperlichkeit zu führen. Indem er sich in seinen Träumen selbst entgleitet, wird er nur als anderer wieder er selbst.

Neben seinen enzyklopädischen Schaubildern führt Paule Hammer ein Traumtagebuch, das ihm seit 2007 als Quelle und Archiv seines Schaffens dient. Erlebnisse von Reisen, fabelartigen Tieren, politischen und prominenten Begegnungen oder unbegreiflichen Phänomenen wie euphorischen und beängstigenden Gefühlen werden hier aufgeschrieben, in Skizzenbüchern bildhaft weiterverfolgt und durch motivische und z.T. sogar plastische Collageelemente erweitert. Zusammengefasst in vielzeiligen Texten unterwirft er auf dem Papier die eigenen Gedanken der ornament- wie figurbeschreibenden Kontur, so z.B. in seinen bekannte Selbstporträts, geträumten Weltkarten, Tier-, Körper- und Blumenstillleben. Stets begreift Paule Hammer seine künstlerische Arbeit und (Selbst)Wahrnehmung als einen unabschliessbaren Prozess seiner täglichen Erfahrung, die sich in einem unaufhörlichen Wechsel mit den Ordnungen der Wirklichkeit befindet. Folgerichtig kann man seine Projektionen im Diskurs zwischen Ich und Welt mit den Worten des deutschen Phänomenologen B.Waldenfels beschreiben, dass „(j)ede neue Verwirklichung (anhebt) mit der Herausforderung durch ein Anderes oder Fremdes, das die bestehenden Ordnungen übersteigt, ohne eine Gesamtordnung anzukündigen.“ (Ders., Sinnesschwellen. Studien zur Phänomenologie des Fremden 3, Ffm 1999).

Paule Hammer, Weltenzyklopädie 4, 2010, Galerie Jette Rudolph, Berlin
Installationsansicht Weltenzyklopädie IV

Paule Hammer Weltenzyklopädie 4, Galerie Jette Rudolph, Berlin 2010
Installationsansicht, Liebe, 2010

Paule Hammer Weltenzyklopädie 4, Galerie Jette Rudolph, Berlin 2010
Installationsansicht Weltenzyklopädie IV, 2010
Kopffüssler (Liebe), 2010, 155 x 45 x 40 cm
Partituren (Angst, Liebe Traum), 3 Serien a' 10 Blatt, 29,7 x 21 cm

Paule Hammer, Übersicht, 2010
Übersicht, 2010
Acryl, Tusche auf Leinwand
300 x 500 cm

Paule Hammer, Angst, 2010
Angst, 2010
Acryl, Tusche auf Leinwand
140 x 230 cm

Paule Hammer, Liebe, 2010
Liebe, 2010
Acryl, Tusche auf Leinwand
140 x 230 cm

Paule Hammer, Traum, 2010
Traum, 2010
Acryl, Tusche auf Leinwand
140 x 230 cm

english version

Galerie Jette Rudolph starts their season in September with a solo show of the Lepzig-based artist, Paule Hammer (b. 1975), his first at this gallery. The show is entitled “World Encyclopedia No.4: Anxiety, Love, Dream“ and will introduce a staging of the entire gallery space based on the artist’s large and middle sized canvases, text-based installation works and sound sculptures.

Paule Hammer’s complex works narrate stories from the ego-perspective with its content centred on the self-image of the individual going through his inner experiences, thoughts, intentions and fantasies. The Berlin show questions the essential necessities around anxiety, love and dream. It is builds on Hammer’s stage “Weltenzyklopädie III/ World Encyclopedia III”, that formed part of the exhibition “Bilder vom Künstler/ Images from the artist” at the Frankfurter Kunstverein at the beginning of 2010, to locate various social roles & their analysis.

The recent works of the artist focus word and text by means of catchwords taken from the title of the exhibition, which are painted in big letters intertwined in a network of connected ‘islands’ joined by lines and punctuated with synapse-like (thought-) knots. The recipient is encircled by an endless questionnaire of existential descriptive patterns, made of collages. The black and white canvases, similar to charts on blackboards, describe the word “love” through the terms “community”, “violence” as well as “man” and “woman”, “animal” and the level of “being”, “family” and “body”. But only the selective view can penetrate the thick meshwork to feel the lines and isles as parts of the thresholds of the margin and dissolution of sense. The three chapters –“anxiety”, “love” and “dream”– are accompanied by a sound sculpture of a cephalopod, with the notations based on a precise translation from word into music created according to the artist’s own system. Hammer takes the recipient on a journey into his soul to audio-visualize the limits of non-objective as well as objectified corporeality; stripped in his dreams becoming himself by another self.

Even Hammer’s dream diaries (2007-present) serve as a source and archive of the artist’s work; experiences of trips, fabulous creatures, political or prominent encounters or inscrutable phenomena which evoked euphoric as well as daunting emotions are assembled in pictorial and plastic elements through collage. The idea of the ornamental and of figuratively describing shapes is summarized in his multi-line texts, the “self-portrait” (Selbstportrait), animals, bodies and flower still lifes. The artist’s working process and self-perception is an open exchange of the daily experiences and the order of reality. Consecutively his projections are characterized by a dialogue between the ego and the world, using the words of the German philosopher B. Waldenfels: “each new realization is compiled by the challenge through the other or the foreign, surmounting the existing categories without announcing a general order.“ (Sinnesschwellen. Studien zur Phänomenologie des Fremden 3, Ffm 1999).