11. März - 20. April 2011

   

 

KLAUS-MARTIN TREDER
Orientierungsverlust und Ästhetik

Ausstellungsdauer: 11. März - 20. April 2011
Eröffnung: 11. März, 18:00 - 22:00 Uhr

Klaus-Martin Treder, Galerie Jette Rudolph, Berlin 2011

„Schtuagart, Ulm, und Biberach, (...)“, Landsberger Allee und Checkpoint Charlie, diesen Wegen wurde blind gefolgt bis zuckende Momente zu Stolpersteinen wurden.

Immer wieder führen Katastrophen, Kriege, Krankheit, Liebesschmerz und Drogen vom rechten Wege der Moral und der Vernunft. Hyvernaud gar schreibt uns metaphergleich von den Klosetts im Lager, vom glucksenden Gedärm, den Koliken, Wanzen, Hämorrhoiden; wie es den Menschen reduziert auf ein schlichtes Da- Sein. Verlustig der gewohnten Parameter würdevoller Referenzen von Karriere, Bildung und Besitz. Und wie sich diese auch nur als ein Haufen loser Fremdbestimmtheiten präsentieren.

Wie stellt es sich aber da, wenn „der Schnee von gestern“ auch noch morgen, übermorgen und überübermorgen bleibt? In dem sich jäh nutzlos gewordene Dinge sukzessive sammeln zu einem Meer von Schutt, von dem die zurückweichende Gezeit der Ebbe bzw. Schmelze den Blick freigibt auf eine offene Ebene entwurzelter Relikte. Plötzlich werden wir ihrer ansichtig und sensitiv empfänglich für allerhand persönliche als auch philosophische Assoziationen- darüber.

Treders Malereien präsentieren uns solche „vera icons“ des Alltags in Form von Seifenstücken, Milchverschlüssen, Barthaaren und Kaffeebohnen. Herausgelöst erscheinen sie als Bildnis ihrerselbst in und auf dem Format der Leinwand, werden zum Motiv eines „wahren Bildes“.
So gesprochen geht Treder von einer Wirklichkeit des Bildes aus, die sich vorallem durch den Akt der Rezeption generiert. Spitzbübisch greift er in die Kisten des Pop, Concept und abstrakt expressiven Gestus, löst Farbe, Träger und Objekt aber auch Dinge wie Körper aus ihrem gewohnten Kontext, um sie einer neuen Funktionalität anzudienen. Dem immerwährenden Prozess des Findens unterworfen, bleibt diese jedoch optional: Treder lässt Farbe weiträumig fliessen, spickt sie mit kontrastreichen Einschlüssen von Kolorit oder attackiert ihre zunächst makellose Oberfläche mit den indirekten Kraterspuren von Wassertropfen. Alles bleibt lesbar, verfügbar den individuellen Erzählungen des Betrachters.

Diese Prozess- wie Projekthaftigkeit ist es auch, die die fortlaufende Serie der Plakate Treders durchzieht. Für „Haare, Shampoo, Schaum“, „Grillfleisch“ oder „Blaues Auge“ wird ein stetig wachsendes Netzwerk farbaffiner Freunde und Spezialisten aus Theorie und Praxis wie Frisöre, Kunstwissenschaftler, Grafiker, Literaten, Journalisten und Designer rekrutiert. Wilde Blüten treibt es da, wenn Frontispize den Fokus auf ein schwarzverkohltes Fleischstück richten, dessen Kruste vom rotleuchtenden rohen Inneren durchbrochen ist, oder Ströme sehnsuchtsverheissenden türkisblauen Gels durch aufschwimmende Placken weissen Schaums oder darin eingesunkener Barthaarstoppeln verunreinigt ins Stocken geraten. Begehrlichkeiten des Ästhetischen werden hier geweckt, während verso Titel, Texte, Kommentare diese offenbaren, konterkarrieren oder ad absurdum führen wollen.

Gleichsam autonom und wie manifest begegnen Treders monolithische Farbkörper im Raum. Skulptur und Objekt zugleich, verstehen sie sich noch vielmehr als Projektionsapparate für den Akt der Osmose oder Passage von Farbe und Material an der Grenze von Fläche, Körper und Raum. Klaviaturartige Skalen papierener Farbstreifen justiert auf einem ellipsenförmigen Stahlgestell entgleiten dem Versuch der fokussierten Wahrnehmung und kontrastieren mit einem schlanken Monolith, der obenauf von einer baldachinartigen aber wegen ihrer Materialität so gar nicht pathetischen Kartonage bekrönt ist.

„(…) Künstler wie Klaus-Martin Treder betreiben (…) eine Entideologisierung der Abstraktion, indem sie unterschiedliche künstlerische Vorgehensweisen, die sich einst radikal gegenüber standen, vielfältig miteinander vermischen und damit auch deutlich machen, dass es keine finalen Lösungen, sondern immer nur Setzungen innerhalb einer Vielzahl ähnlicher Möglichkeiten gibt. Dass die jeweils gewählte Lösung gleichwohl nicht kontingent ist, spüren wir Betrachter daran, dass wir Treders Bilder als Auseinandersetzung mit Konflikten und Widersprüchen erleben.“
(Ludwig Seyfarth, in: Kunstforum Bd. 206, Januar- Februar 2011, „Neue Abstraktion“, S. 194- 197).“

Klaus-Martin Treder, Orientierungsverlust und Ästhetik, 2011
Orientierungsverlust und Ästhetik, 2011
Mischtechnik auf Leinwand
260 x 200 cm

Klaus-Martin Treder, Ohne Titel 3, 2010
Ohne Titel 3, 2010
Stahl, Papierbahnen, bemalt
56-teilig, 204 x 171 x 49 cm

Klaus-Martin Treder, Super Sensitive Drops, 2011
Super Sensitive Drops 121, 2011
Mischtechnik auf Leinwand
180 x 89,5 cm

Klaus-Martin Treder, Super Sensitive Drops 119, 2011
Super Sensitive Drops 119, 2011
Mischtechnik auf Leinwand
180 x 89,5 cm

Klaus-Martin Treder, Ohne Titel 4, 2011
Ohne Titel IV, 2011
Stahl, lackiert, Karton, 3- teilig
285 x 78 x 78 cm

Klaus Martin Treder, SSD, 2011
Super Sensitive Drops 122, 2011
Mischtechnik auf Leinwand
48 x 42 cm